Presse unerwünscht

Am 09. September erkletterten zwei Aktivistinnen den Mercedes Showroom auf dem öffentlichen Gelände der IAA. Sie entfalteten ein Transparent mit der Aufschrift „Mit Vollgas in die Klimahölle“. Nach knapp zwei Stunden wurden sie von der Polizei mit einer Drehleiter geräumt.

Kletteraktivistinnen werden mit Drehleiter von rotem Mercedes-Showroom geräumt

Im Vorfeld habe ich Informationen erhalten und dokumentierte die Aktion fotografisch. Innerhalb kurzer Zeit räumte der Sicherheitsdienst die etwa 300 Besucher*innen aus dem Innenhof. Öffentlich wurde kommuniziert, dass dieser wegen Überfüllung/technischer Probleme geschlossen wurde. Wie mir im Verlauf mehrfach von Sicherheitskräften und Mercedes mitgeteilt wurde, war ich der einzige Journalist vor Ort. Meine Kolleg*innen wurden derweilen unter Vorwänden nicht hineingelassen.

Ich solle froh sein, berichten zu können, erwiderten Einsatzleitung und Pressesprecher*innen auf mehrfache Forderung meinerseits, den Pressevertreter*innen Zugang zu ermöglichen. Des Weiteren könne ich diese „ja“ vor den Toren abholen.

Später kam ein Pressesprecher der Polizei zu mir und gab mir die Handreichung mich möglichst unauffällig zu verhalten. Von einem Zugang für Pressevertreter*innen war nun nicht mehr die Rede und ein Großteil im Hof wusste, dass ich der einzige Journalist unter ihnen war. Aus der Sorge am Rande des Geschehens festgesetzt zu werden, stellte ich mich zu einer Gruppe von Mercedesmitarbeiter*innen.

Behinderung durch Kontrollen

Bereits am Vortag wurde meine Arbeit durch unverhältnismäßige Kontrollen und Überwachung massiv erschwert.

Im Innenhof wurde ich etliche Male nach meinem Presseausweis gefragt, für wen ich arbeite, ob ich schon Fotos veröffentlicht habe… unersichtlich war, ob es sich bei den Fragenden um Sicherheitsdienst, Mercedes oder Polizei handelte. Ein Mann in zivil bedrängte mich verbal und stellte sich direkt vor meine Kamera. Auch ein Pressesprecher des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA) kam auf mich zu und erkundigte sich, ob meine Fotos bereits online seien. Gegen 17:30 Uhr war die Räumung der Aktivistinnen abgeschlossen und ich froh, den Innenhof verlassen zu können.

Fazit

Es fällt mir schwer, das Geschehene in Worte zu fassen. Im Journalismus wird selten über persönliche Erfahrungen bei Einschränkungen der Pressefreiheit berichtet. Dies kann einerseits an Scham liegen, andererseits an der Sorge wegen Mangels an professioneller Distanz nicht ernstgenommen zu werden. Insbesondere Einschüchterungsversuche lassen sich nur schwer auf einer sachlichen Ebene vermitteln.

Ich habe mich in den oben geschilderten Situationen isoliert und hilflos gefühlt. Je mehr ich mich für meine Kolleg*innen vor den Toren eingesetzt habe, desto stärker wurde mir gezeigt, dass sie und ich vor Ort nicht erwünscht sind. Immer wieder höre ich von Fällen, wo Journalist*innen ihre Kameras entwendet werden, auf der IAA vor zwei Jahren wurden vier Journalisten rechtswidrig in Gewahrsam genommen[*]. Auch wenn es Vorsicht sein mag, lassen sich solche Situationen nur schwer einschätzen. So wirken kleine Hinweise oder Bedrängungen deutlich einschüchternder.

  • Kletterin in heller Kleidung im roten Gerüst des Showrooms.
  • Kletteraktivistinnen am Mercedes Showroom, Kamerawagen der Polizei im Fordergrund
  • Besucherinnen schauen in einer Masse nach oben
  • Kletteraktion mit Banner gerahmt durch Torbogen
  • Nachaufnahme mit Plan abgedeckter Mercedes
  • Kletteraktivistinnen werden mit Drehleiter von rotem Mercedes-Showroom geräumt. Mercedesbedienstete und Sicherheitskräfte gucken zu.